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Speicher – Schlüsselelement der Energiezukunft

Die Umstellung von einer fossilen auf eine erneuerbare Energieversorgung hat längst begonnen. Eine der Herausforderungen dabei ist die unregelmässige Produktion von Sonnenenergie sowie Wind- und Wasserkraft. Energiespeicher tragen dazu bei, Angebot und Nachfrage in Einklang zu bringen.

Wie die Schweiz dereinst mit Energie versorgt werden soll, skizzieren die «Energieperspektiven 2050+» des Bundes ziemlich präzise. Rund 38 TWh Strom pro Jahr soll die Wasserkraft generieren, rund 34 TWh die Photovoltaik. Letztere dürfte 2024 zwar bereits rund 6 TWh erzeugen – es braucht aber weiterhin einen starken Zubau, um das Ziel für 2050 zu erreichen. Allerdings lautet die Frage nicht nur, wie viel Elektrizität produziert wird, sondern auch wann sie produziert wird. Bekanntlich muss im Stromnetz ein konstantes Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage respektive zwischen Produktion und Verbrauch herrschen.

Langfristig speichern
Der Ertrag aus den erneuerbaren Energien schwankt viel stärker als jener aus fossilen Energien oder der Kernkraft, sowohl im Tagesverlauf wie auch saisonal. Insbesondere im Winter, wenn die Stauseen in der Regel tiefe Pegelstände aufweisen und die Solaranlagen wenig Sonnenlicht erhalten, kann die Produktion bei Weitem nicht mit der Nachfrage mithalten. Dafür dürfte im Sommer immer öfter mehr Solarstrom zur Verfügung stehen, als zeitgleich verbraucht werden kann. Für diese Überschüsse braucht es Speichermöglichkeiten. Kurzfristig – über einige Stunden oder Tage – lässt sich Strom in Batteriespeichern lagern. Über Wochen oder Monate hinweg ist diese Speicherform jedoch (noch) unrentabel. Gefragt sind daher Speichertypen, in denen sich Energie langfristig zu wirtschaftlichen Konditionen speichern lässt. Dazu muss die Elektrizität aber in eine andere Form von Energie umgewandelt werden, beispielsweise in Wärme.

Etablierte Wärmespeicher
Die am weitesten verbreitete Form des Wärmespeichers sind Erdsonden. Sie dienen primär als Energiequelle für Wärmepumpen, indem sie dem umgebenden Erdreich thermische Energie entziehen. Dieser Prozess funktioniert aber auch umgekehrt: Lässt man durch überschüssigen Solarstrom erhitztes Wasser in den Sonden zirkulieren, erwärmt sich das Erdreich. Diese Wärme kann in der folgenden Heizperiode wieder nutzbar gemacht werden.

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Die rund 400 Erdsonden auf dem Suurstoffi-Areal in Risch-Rotkreuz ergeben zusammen einen grossen Energiespeicher, der im Winter als Quelle für die Energieversorgung dient. (Grafik: Zug Estates AG)

Eine Alternative sind Behälter-Wärmespeicher. Dabei handelt es sich um vorgefertigte Stahltanks oder vor Ort mit Beton erstellte Behälter. Sie sind so gut gedämmt, dass das darin gespeicherte, mit Solarstrom erhitzte Wasser kaum Wärme verliert, je nach Dämmung auch über längere Zeiträume nicht. In einem Pilotprojekt der Hochschule Luzern wird zudem untersucht, ob und wie man bestehende Hohlräume wie ausgediente Bunker und Keller dämmen und als Wärmespeicher nutzen kann. Solche Lösungen sind heute noch nicht markttauglich, könnten künftig aber eine sinnvolle Alternative darstellen.

Auf einem anderen Prinzip beruht ein weiterer Speichertyp, der hierzulande noch nicht im breiten Markt angekommen, aber schon mehrfach realisiert wurde: der Eisspeicher. Wird diesem mit Wasser befüllten Tank thermische Energie entzogen, beginnt das Wasser zu gefrieren. Bei diesem sogenannten Phasenwechsel wird viel Wärme freigesetzt, die sich via Wärmepumpe für die Beheizung und Warmwasserversorgung nutzen lässt. Der Vorteil des Eisspeichers ist, dass er deutlich weniger Platz benötigt als ein Behälter-Wärmespeicher, um dieselbe Menge Energie zu speichern.

In erneuerbares Gas umwandeln
Eine weitere Möglichkeit, überschüssigen erneuerbaren Strom speicherbar zu machen, ist die Umwandlung in ein erneuerbares Gas («Power-to-Gas»). Dabei trennt man zuerst durch den Einsatz von Strom Wasser (H2O) in Sauerstoff (O2) und Wasserstoff (H2) auf. Wasserstoff lässt sich gut speichern und beispielsweise in einer Brennstoffzelle wieder in Strom und Wärme umwandeln. Alternativ kann man ihn in Methan transformieren, das wiederum ins Erdgasnetz eingespeist und so speicherbar gemacht werden kann. Der Nachteil von Power-to-Gas ist, dass bei jedem Umwandlungsschritt Energie verloren geht und dass die Technik noch verhältnismässig teuer ist. Zumindest Wasserstoff aus erneuerbarem Strom wird in der Schweiz aber schon an mehreren Standorten produziert, überwiegend in Kombination mit Flusswasserkraftwerken. Diese liefern ziemlich konstant Strom und ermöglichen damit eine bessere Auslastung der Wasserstoffproduktionsanlage als etwa die Photovoltaik.

Innovative Speicher
Nebst diesen schon etablierten oder zumindest marktfähigen Speicherlösungen wird weltweit auch an neuartigen Designs für Speicher geforscht. Hier eine nicht repräsentative Auswahl von drei spannenden Ansätzen:

Energy Vault

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Im chinesischen Rudong ist die erste Energy-Vault-Anlage in kommerziellem Massstab entstanden. Sie speichert bis zu 100 MWh in Form von kinetischer Energie und kann maximal 25 MW Leistung abgeben. (Foto: Energy Vault)

Wie ein Pumpspeicherkraftwerk nutzt auch dieses Konzept die Schwerkraft, um Energie zu speichern. Dazu heben mit überschüssigem Strom betriebene Kräne tonnenschwere Blöcke in die Höhe und lagern sie in einer Art riesigem Warenregal. Wird Strom benötigt, werden die Blöcke heruntergelassen und treiben einen Generator an, der Elektrizität produziert. Die von der Tessiner Firma «Energy Vault» entwickelte Idee wurde bereits bei einigen Projekten getestet und scheint auch dank zahlungskräftiger Investoren gute Chancen zu haben, es auf den breiten Markt zu schaffen. Weitere Informationen: www.energyvault.com

Sand-Batterie
Die Idee stammt von einem finnischen Unternehmen mit dem klingenden Namen «Polar Night Energy». Anstelle von Wasser wird mit überschüssigem Strom Sand in einem Stahlcontainer erhitzt. Der Vorteil von Sand ist, dass er deutlich höhere Speichertemperaturen von 500 bis 600 °C ermöglicht. Die eingelagerte thermische Energie lässt sich grundsätzlich über mehrere Monate hinweg speichern und anschliessend für die Wärmeversorgung oder für industrielle Anwendungen wieder nutzbar machen. Ein erstes Pilotprojekt in der finnischen Kleinstadt Kankaanpää wurde bereits umgesetzt, nun soll ein weiteres folgen. Weitere Informationen: www.polarnightenergy.fi

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Die beiden Gründer des Start-ups «Polar Night Energy» vor ihrem Wärmespeicher, der sogenannten «Sand-Batteri». (Foto: Polar Night Energy)

CO2-Speicher
Das italienische Unternehmen «Energy Dome» nutzt CO2 als Trägermedium in einem ausgeklügelten Speichersystem. In einem grossen Behälter – dem sogenannten «Dome» – wird aus der Atmosphäre entnommenes CO2 in gasförmigem Zustand bei Umgebungstemperatur und -druck gespeichert. Steht überschüssiger erneuerbarer Strom zur Verfügung, wird das CO2 komprimiert, wodurch es kondensiert und sich unter Druck bei Umgebungstemperatur in flüssiger Form in Tanks einlagern lässt.

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Die CO2-Batterie mit dem «Dome» rechts im Bild könnte beispielsweise in der Wüste mit einer grossen Photovoltaik-Anlage kombiniert werden. (Visualisierung: Energy Dome)

Wird Energie benötigt, kehrt man den Prozess um: Das flüssige CO2 wird verdampft und erhitzt, wodurch es über eine Turbine einen Generator antreibt, der Strom erzeugt. Das gasförmige CO2 wird anschliessend wieder im Dome zwischengespeichert. Derzeit ist das Unternehmen daran, Pilotprojekte umzusetzen. Weitere Informationen: www.energydome.com

Auch wenn heute noch nicht klar ist, wie Energie morgen gespeichert wird – dass die erneuerbare Energieversorgung der Zukunft solche Speicherlösungen braucht, ist unbestritten. Gut möglich, dass wir Wärme und Strom künftig mit einem länderspezifischen Mix aus verschiedenen Techniken und Konzepten speichern, der von den klimatischen und geographischen Voraussetzungen abhängt.