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Asphalt knacken für besseres Klima in der Stadt

Eine wirkungsvolle Massnahme, um urbane Gebiete vor übermässiger Hitze zu schützen, ist die Entsiegelung und Begrünung von Oberflächen. «Asphaltknackerin» Isabella Sedivy erklärt, wie Private und Firmen damit qualitätsvolle Lebensräume für Menschen und Tiere schaffen können.

Mit dem Presslufthammer den Asphalt auf Parkplätzen oder Hinterhöfen knacken – was nach einer brachialen Guerrilla-Aktion tönt, ist vielmehr eine Massnahme für ein besseres Stadtklima. «Insgesamt gibt es in der Schweiz 64 Quadratkilometer versiegelte Parkplatzflächen. Ein Grossteil davon liesse sich entsiegeln», erklärt Isabella Sedivy. 2022 hat sie zusammen mit Bettina Walch einen Projektwettbewerb der Stadt Zürich gewonnen und die Initiative «Asphaltknackerinnen» lanciert. Seither haben die beiden Frauen, die gemeinsam das Umweltkommunikations- und Planungsbüro «Plan Biodivers» führen, bereits über 1000 Quadratmeter Boden in der Stadt Zürich aufgebrochen.

Überhitzung nimmt zu
Rund 14 Prozent der Flächen des Kantons Zürich sind versiegelt, im Kanton Basel-Stadt sind es ganze 46 Prozent. Zum Vergleich: In Bergkantonen wie Graubünden, Uri oder Wallis liegt der Anteil der mit Asphalt oder Beton bedeckten Böden bei lediglich etwa 2 Prozent. Solche Oberflächen sind einer der Hauptgründe für Überhitzung, denn sie sind ganz oder teilweise mit einer wasser- respektive luftundurchlässigen Schicht – meist aus Asphalt oder Beton – versehen. An heissen Sommertagen wärmen sie sich sehr stark auf und geben die Wärme in der Nacht wieder ab. Es entstehen sogenannte Hitzeinseln, in denen es nachts deutlich wärmer bleibt als in der unversiegelten Umgebung. Weil die Temperaturen in der Schweiz in den vergangenen Jahren durch den Klimawandel bereits deutlich gestiegen sind und bis Ende dieses Jahrhunderts weiter stark ansteigen dürften, wird das immer mehr zum Problem. Laut den «Klimaszenarien für die Schweiz» wird die Anzahl der Hitzetage und Tropennächte rasant nach oben schnellen. Die Hitze ist aber nicht die einzige negative Folge von Versiegelung. Bei Starkniederschlägen – auch das ein zunehmendes Wetterextrem – kann das Wasser nicht im Boden versickern. Es kommt zu sogenanntem Oberflächenabfluss und es drohen Überschwemmungen.

Die Menschen sensibilisieren
Abhilfe lässt sich schaffen, indem man der Asphalt- oder Betonwüste mit begrünten Lebensräumen den Kampf ansagt und die Versiegelungen überall dort entfernt, wo sie nicht zwingend erforderlich sind. Genau hier setzen die Asphaltknackerinnen mit ihrer Initiative an. Ihre Mission: Entsiegeln und die Menschen für die Themen Klimaanpassung, Hitzeminderung und Biodiversität sensibilisieren. «Wir sprechen insbesondere private Immobilienbesitzerinnen und -besitzer an, die ihre unnötig versiegelten Böden umgestalten und ein Zeichen für mehr Biodiversität und Klimaanpassung setzen möchten», erklärt Sedivy. Aufgebrochene und anschliessend begrünte Bodenflächen lassen sich laut der Biologin weiterhin zum Parken nutzen, leisten aber gleichzeitig einen Beitrag zur Minderung der Temperaturen, zur Artenvielfalt und zu einem natürlichen Wasserkreislauf.

Mikroklima verbessern
Besonders wirkungsvoll für die Hitzeminderung sind begrünte Oberflächen. Bäume spenden aber an heissen Tagen nicht allein erfrischenden Schatten. Mit Sträuchern, Blumen oder sonstigem Grün bepflanzte Oberflächen haben überdies die Eigenschaft, Sonnenstrahlen besser zu reflektieren als unbepflanzte, wodurch sie sich tagsüber weniger aufheizen. So wird weniger Wärme gespeichert, die während den nächtlichen Stunden wieder abgegeben wird. Temperatursenkend wirkt sich auch die sogenannte Transpiration aus. Dabei handelt es sich um die Verdunstung von Wasser über die Blätter, bei der Verdunstungskühle entsteht. Dieser natürliche Vorgang mindert die Temperatur um einige Grad und verbessert das Mikroklima. Begrünte oder entsiegelte Plätze können also insbesondere urbane Gebiete klimatisch entlasten, indem sie der Bildung von Hitzeinseln entgegenwirken. Geeignet für solche Massnahmen sind grundsätzlich nicht allzu stark beanspruchte Flächen wie beispielsweise Parkplätze, Innenhöfe, Vorplätze oder auch komplett versiegelte Wege. «Allerdings sollten insbesondere chaussierte Flächen möglichst eben sein», räumt Sedivy ein. «An Hanglagen muss man sicher gehen, dass bei Regen kein Oberflächenwasser aus der Umgebung über die Fläche fliesst und zu Erosion führt.»

Welche Alternativen gibt’s?
Ist der harte Asphalt erst einmal weg, stellt sich die Frage, was an seiner Stelle den Boden bedecken soll. Auch wenn die Fläche weiterhin befahren oder begangen werden muss, können sickerfähige Materialien verwendet werden. Eine gute Alternative zur Versiegelung ist in solchen Fällen etwa eine Chaussierung, also eine Deckschicht ohne Bindemittel, die aus einem Gemisch aus Naturstein wie Splitt oder Schotter besteht. Diese ist laut den Asphaltknackerinnen etwa bei Parkplätzen eine günstige und nachhaltige Lösung. Für intensiv genutzte Flächen sind etwa Pflastersteine empfehlenswert. Auch Rasengittersteine kommen infrage, allerdings sind sie teurer und der Beton beinhaltet graue Energie. Aus ästhetischer Sicht sind Natursteine eine gute Wahl, doch liegen sie kostenmässig im oberen Bereich. Ist der Preis das ausschlaggebende Kriterium, kann man eine Fläche laut Sedivy auch einfach entsiegeln und in den darunterliegenden Kies eine Samenmischung mit einheimischen Pflanzen einstreuen – vorausgesetzt, es handelt sich nicht um eine stark genutzte Fläche.  

Gemeinsam die Bedürfnisse klären
Wie sollen Hausbesitzerinnen und -besitzer vorgehen, wenn sie entsiegeln möchten? «Vor Ort klären wir mit den Besitzenden die Bedürfnisse an die Fläche ab und beraten sie. Entscheiden sie sich zum Entsiegeln, unterstützen wir sie, indem wir geeignete Naturgartenbauer empfehlen», so Sedivy. Je nach Wahl der neuen Oberfläche und je nach Grösse der Fläche sind auch die Preise sehr unterschiedlich. Bei den bisher befreiten Oberflächen liegt die Spanne zwischen 75 und 290 Franken pro Quadratmeter.

Doch was soll man tun, wenn man zwar aufbrechen möchte, aber die zur Verfügung stehende Fläche sehr klein ist? Selbst dann lohnt sich laut der Asphaltknackerin der Aufwand, denn auch auf Kleinstflächen und an trostlosen, öden Orten entstehen wertvolle Lebensräume für Menschen und Tiere, etwa ein Gartensitzplatz oder eine kleine Pflanzfläche. «Das macht in der Regel Lust auf mehr», weiss Sedivy.

Für mehr Infos:

https://www.planbiodivers.ch/asphaltknackerinnen

Stadtklima | Kanton Basel-Stadt (bs.ch)

Fachplanung Hitzeminderung - Stadt Zürich (stadt-zuerich.ch)

Auch das Bundesamt für Umwelt BAFU hat zusammen mit dem Bundesamt für Raumentwicklung ARE Grundlagen für eine klimaangepasste Siedlungsentwicklung erarbeitet, die in der Publikation Hitze in Städten (admin.ch) Interessierten zur Verfügung stehen.